13. Dezember

Kein Hügel mehr, mein dichter Wald, kein tiefes Tal. Seit heute Morgen wandern die drei über Feld und Wiese. Um die Menschendörfer machen sie einen großen Bogen. Mal links vorbei, mal rechts vorbei – aber Norden immer im Blick.

Zielstrebig führt Bruno die kleine Gruppe an. Schließlich müssen sie so schnell wie möglich zurück nach Hause und ihre Manege fertig bauen.

Ferdinand macht es sich erneut in Wilhelms zotteligem Fell gemütlich.

Und Wilhelm? Der trottet eine Esellänge hinter Bruno hinterher. Mit jedem Schritt spürt einen Kloß mehr in seinem Hals. Was, wenn ihm die bunte Kuh gar nicht helfen kann? Wenn der ganze Weg umsonst war?

Links und rechts haben Fichten die Laubbäume abgelöst. Der Boden wird zunehmend sandiger. Über ihnen immer öfter weiße Vögel so groß wie Krähen, die sich vor den dunklen Wolken strahlend abheben.

 

„Wir sollten uns einen Schlafplatz suchen, bevor es zappen duster ist“, schlägt Bruno vor. „Da vorne hinter der Kuppe scheint ein kleines Wäldchen zu sein. Lasst uns da mal gucken.“

Doch so weit kommen sie gar nicht. Mitten auf der Kuppe stellt sich ihnen ein Hund knurrend in den Weg. Wilhelm bleibt stocksteif stehen. Jeder Muskel ist angespannt. Die Augen weit aufgerissen. Der Hund knurrt noch lauter.

Bruno: „Alles gut. Wir tun dir nichts.“

Ferdinand versucht, Wilhelm abzulenken. „Guck mal, da drüben.“

Wilhelm starrt weiter den Hund an, fängt an, mit seinem Schwanz zu wedeln. Von links nach rechts. Von rechts nach links. Von links nach rechts. Sein Atem wird schneller.

Ferdinand streichelt Wilhelms zottiges Fell. „Ganz ruhig. Das ist nur ein Hund. Der tut uns nichts. Der ist eigentlich ganz brav.“

In dem Moment fletscht der Hund seine Zähne. „Was wollt ihr hier? Das ist mein Revier! Verschwindet!“

Bruno versucht, zu beschwichtigen: „Ist in Ordnung. Das kann auch dein Revier bleiben. Wir wollen nur schnell vorbei zur bunten Kuh. Wir sind gleich wieder weg.“

Der Hund hört gar nicht zu. „Verschwindet endlich!“, knurrt er.

„A-I-A-I-A-I-A-I-A-I ...“

Ferdinand streichelt und streichelt und streichelt, aber Wilhelm lässt sich nicht beruhigen.

„... A-I-A-I-A-I ...“

„Ferdi, wir müssen ihn hier wegschaffen.“ Bruno stemmt sich mit aller Kraft gegen Wilhelms Hinterteil. „Komm, Wilhelm, wir müssen weiter!“ Bruno drückt und schiebt, doch der Esel bewegt sich keinen Zentimeter.

„... A-I-A-I-A-I ...“

„Ferdi, zieh an seinen Ohren, vielleicht setzt er sich dann endlich in Bewegung.“

„... A-I-A-I-A-I ...“

„... Knurr ...“

„... A-I-A-I-A-I ...“

Bruno drückt weiter von hinten. „Nun komm schon Wilhelm! Setz dich endlich in Bewegung!“ Bruno gibt ihm einen festen Klaps auf den Hintern.

Wilhelm stockt mitten in seinem „A-I“, bäumt sich auf und rennt los. Es gibt kein Halten mehr. Das „A-I“ ist vergessen. Ferdinand krallt sich mit Mühe und Not an Wilhelms zotteligen Ohren fest.

Bruno guckt vor Schreck hinterher, guckt zum Hund, der weiter die Zähne fletscht, und setzt sich selbst in Bewegung.

Wilhelm läuft, ohne nach links und rechts zu schauen, über Stock und Stein immer weiter geradeaus. Bruno hetzt hinterher.

Der einzige, der Spaß hat, ist Ferdinand. Wie Zügel hält er Wilhelms Ohren in den Pfoten. Zieht an einem, wenn sie einem Hindernis ausweichen müssen. Duckt sich, bevor ihn ein tief hängender Ast herunterfegen kann. Und ruft ein lautes „Juchu“ als Wilhelm von einer Sanddüne springt.

Beim Landen im feinen Sand gerät Wilhelm ins Stolpern, kann sich aber gerade so noch auf den Beinen halten und bleibt wenige Schritte später stehen.

„Huh, war das ein Ritt!“, freut sich Ferdinand und springt hinunter.

Wilhelm schaut nach vorn: das Meer. Schaut hinunter: Wasser umspült seine Hufe. Aufgeregt strampelt er zurück. Bloß kein Wasser. Seine Hufe dürfen nicht aufweichen. Er verheddert sich mit den Beinen im feinen Sandstrand und plumps sitzt er auf dem Boden.

 

Schnaufend kommt Bruno endlich an. „Was war das denn? Geht’s euch gut?“

„Klar“, antwortet Ferdinand voller Adrenalin. „Meinetwegen können wir das gerne wiederholen.“

„Wilhelm ...“ Bruno stupst den Esel an. „Ist alles gut?“

„Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Das wird doch nie was. Und die bunte Kuh wird mir auch nicht helfen können.“

„Ach natürlich. Nun warte erstmal ab. Wir suchen uns jetzt einen Schlafplatz, ruhen uns aus und morgen die Welt schon ganz anders aus.“

„Hmm.“